Plastik! Und nicht sehr griffig…

Ich erinnere mich noch an jenen 10. Januar 2011.
Es sollte der Tag werden an dem ich in die Welt der digitalen Spiegelreflex-Fotografie einsteigen würde. An diesem Tag traf ich mit meiner rechten Hand eine Entscheidung, die nun, viele Jahre später, wieder von Bedeutung sein sollte. Ich entschied mich gegen Canon mit seinen kleinen Mittelklasse D-SLR’s und für Nikon, für die D90. Ein Griff und es war passiert. Nur ein Jahr später tauschte ich dieses wunderschöne Gehäuse gegen ein noch schöneres, ein Gehäuse das mir die letzten 11 1/2 Jahre zuverlässig gute Dienste geleistet hat und das mich effektive Bedienung gelehrt hat – meine „Alte Dame“, die D300s.
An jenem Januartag 2011 traf ich eine Systementscheidung zu Gunsten des Nikon-F-Bajonetts.

Obwohl ich noch immer wundervolle Bilder mit ihr mache, kommt meine „Alte Dame“ langsam in die Jahre. Der Stangen-AF-Antrieb funktioniert schon ewig nicht mehr, ebenso ist der Halter für den Aufklapp-Blitz gebrochen und notdürftig geflickt. Das Metall-Gehäuse ist von den Spuren der unzähligen Nutzungen gezeichnet. Sie hat eine schöne Patina bekommen.

In den letzten Jahren habe ich oft über eine Aufwertung meiner Ausrüstung nachgedacht, vor allem im Hinblick auf die technischen Beschränkungen, für die gerade der Sensor sorgt. Bilder bis 800 ISO sind gut, darüber beginnt recht schnell ein Rausch-Festival. Auch liebäugelte ich schon sehr lange mit einem größeren Sensor – auch Vollformat, oder bei Nikon „FX“ genannt. Die D300s hat „nur“ einen DX-Sensor mit knapp halber Fläche.
Großer Sensor = mehr Möglichkeiten mit Unschärfe zu spielen – bei gleicher Blende und Brennweite. Aber auch mehr Licht für jedes Pixel.
Neuerer Sensor = bessere Leistung bei höheren ISO-Werten.

Zum Pfingstmontag dieses Jahres war ich an der Steinsberg unterwegs und mal wieder vom nicht mehr funktionierenden Autofokus meines alten Tele genervt. Weit entfernte, oder sich bewegende Objekte nur mit einem Schärfe-Indikator im Sucher scharf zu stellen ist nicht sehr angenehm.

Das brachte mich ins Grübeln und Recherchieren. Als erste Maßnahme bestelle ich mir ein neues Tele – wieder von Tamron. Nur statt der bisherigen 70-300 Millimeter, eines mit 100-400 Millimetern Brennweite. Das Ganze leider notgedrungen, da das alte nicht mehr hergestellt und verkauft wird. Aus gut 800 Gramm Masse wird über ein Kilogramm; deutlich zu merken an der D300s. Erste Aufnahme mit dem neuen Tele-Trümmer lassen mich begeistert zurück. Eine gute Investition!

Doch damit ist das Technik-Kapitel noch nicht beendet. Der Wunsch nach einem neuen Gehäuse ist da und die Gelegenheit bietet sich in doppelter Hinsicht. Einerseits darf ich Ende Juni eine Sonderzahlung erwarten, andererseits hat Nikon mal wieder eine Sonderaktion mit Preissenkungen auf diverse Kameras und Objektive.
Und so verliere mich – wie so oft – in einem Recherche-Marathon.
Viel ist in den letzten gut 10 Jahren im Markt digitaler Fotografie passiert. Klassische Kameras mit Spiegel verschwinden langsam, neue Systeme ohne Spiegel erobern den Markt. Auch mir stellt sich die Frage ob mit oder ohne Spiegel. Nikon hat seit gut 5 Jahren das Z-System im Angebot. Kompaktere Kameras mit großen Sensoren. Mir springt die Z6II ins Auge. Mit einem großen FX-Sensor und gutem Standardzoom mit durchgängiger Blende f/4. Mein Interesse ist geweckt. Und nun beginnt die intensive Beschäftigung damit und das Abwägen. Mich reizt die neue Technik – im elektronischen Sucher bekomme ich eine realistische Bildvorschau. Aber! Ich bin von einem zuverlässigen Autofokus verwöhnt und von einer schier ewigen Akku-Laufzeit. Beides bietet die Z6II nur unzureichend. Kriterien, die mich zweifeln lassen. Also wieder von vorn. Von den klassischen Gehäusen gibt es nur noch wenige, angefangen bei der zu teuren D6 über die 3-stelligen bis hin zur Einsteiger-D3500. Dazu noch ein paar Gehäuse, die zwar noch auftauchen, aber nicht mehr zu kaufen sind. Darunter ist auch die D500 – die langersehnte Nachfolgerin meiner D300s aus dem Frühjahr 2016. Mein Blick fällt aber auf die D780. Das bisher vorletzte D-SLR-Modell von Nikon und auch schon gute 3 Jahre auf dem Markt. Ausgestattet mit dem gleichen 24-MP-Sensor wie die Z6II. Und: FX und laut Testbildern ein wahres Nachtsichtgerät. Dazu das AF-Modul meiner bisherigen Kamera – bei geringerer Bildfeld-Abdeckung– ein Akku mit sehr guter Laufzeit und ein paar Spielereien wie klappbares Display und kabellose Verbindung zu PC und Telefon. Um mir die Entscheidung etwas einfacher zu machen, erwäge ich kurzzeitig, mir Z6II und D780 mal vor Ort anzuschauen, verwerfe den Plan aber wieder. Die Entscheidung ist eigentlich gefallen.

Das Monatsende kommt. Die Bestellung geht raus. Und ist kaum 24 Stunden später schon bei mir. Die Spannung steigt. Auspacken, anpacken. Und nun kommt der Satz vom Einstieg. Enttäuschung. Die Frage, ob die Entscheidung richtig war, geistert durch meinen Kopf. Irgendwie wusste ich ja schon, auf was ich mich einlassen würde. Ich wusste auch, dass ich in der Bedienung Einbußen machen würde. Aber dass die Wertigkeit so unterschiedlich sein würde, hätte ich nicht gedacht.
Und da höre ich mich sagen: „Das ist doch nur ein Werkzeug zur Erstellung von Bildern. Du wirst Dich schon daran gewöhnen.“ 11 1/2 Jahre hinterlassen aber ihre Spuren. Eine starke Gewöhnung setzt ein. Kaum verwunderlich.
Also konzentriere ich mich lieber auf die Arbeit mit der Technik.

Und so sieht nun der Neuzugang aus:

Vieles ist, Hersteller-bedingt, ähnlich, Weniges anders oder neu.
Auffällig ist der fehlende, eingebaute, Blitz.
Weiterhin auffällig – und gewöhnungsbedürftig – das kombinierte Modus-Wählrad links oben (auf dem ersten Bild über dem D780-Schriftzug zu erkennen). Im Gegensatz zur D300s gibt es hier eine Vollautomatik und Motivprogramme. Ganz nett, aber für meine Arbeitsweise irrelevant. Viel wichtiger sind die Modi „U1“ und „U2“. Hier kann ich Vorgaben für weitreichende Kamera-Einstellungen speichern. Wird ne Umgewöhnung zu den Einstellungsvorgaben der D300s. Der Sucher ist eine ganz andere Welt; groß und hell und mit Anzeige des gewählten Bildausschnittes. Man kann zwischen 4 verschiedenen wechseln – ganzer Sensor (36x24mm), 16:9 (26x20mm), Quadrat (24x24mm) und DX-Modus (24x16mm, wird je nach Objektiv automatisch ausgewählt).
Der erste Nachmittag geht mit der Anpassung der Einstellungen drauf. Zuallererst den Autofokus von Belichtungsmessung und Auslösung entkoppeln. Standardmäßig wir bei halb durchgedrücktem Auslöser die Belichtung gemessen und fokussiert. Davon habe ich mich schon zu D90-Zeiten recht schnell verabschiedet und nutze stattdessen die AF-ON-Taste zum Fokussieren. Dann noch die Dateinamen ändern und ein paar Kleinigkeiten anpassen. Vorerst fertig!
Ein erster Test beinhaltet die Fähigkeiten in hohen ISO-Bereichen, jenseits der alten Grenzen. Und, ja, die D780 ist ein Nachtsichtgerät. Bis ISO 12800 problemlos nutzbar und auch darüber (bis ISO 51200) mit wenigen Abstrichen. So kann ich endlich sicher auch in dunkleren Umgebungen aus der Hand fotografieren. Sehr gut!
Hier seht Ihr beide Gehäuse mit ihren Standard-Objektiven. Links die D300s, rechts die D780:

Tags darauf folgen die ersten Tests. Ich nutze eine Arbeitspause um auf einem Höhenzug bei Neckarbischofsheim ein paar Aufnahmen zu machen. Neben dem mitgelieferten Objektiv – ein 24-120 mit Blende F/4 über den gesamten Bereich – ist auch der Tele-Trümmer von Tamron dabei. In der Hand ist diese Kombi extrem Kopf-lastig.
Hier nun eine der ersten Aufnahmen mit komplett neuer Ausrüstung:

Bei 400mm Brennweite verschwindet der Vordergrund selbst bei F/11 noch in der Unschärfe. Die Treffsicherheit des AF ist gut und ein wesentlicher Fortschritt zur langen Handarbeit mit der alten Tele-Kombi. Einen weiteren Vorteil entdecke ich recht schnell und machte mir diesen zu Nutze: der AF lässt sich durch Tippen auf das Display setzen. Das geht bei besonders Kontrast-starken Kanten sehr gut.
Ob des bewölkten Himmel war der in-Bild-Kontrast hier eher mau. Doch das werde ich bei Zeiten ändern.
Ein weiteres Bild entstand mit dem 24-120 F/4: 

Hier zeigen sich alle Eigenschaften des Glases: Selbst leicht abgeblendet auf F/5.6 noch mit angenehmer Unschärfe im Vordergrund, leider aber mit leichter Vignettierung bei offeneren Blendenzahlen.
Trotz dieses Nachteils bin ich von dem Glas begeistert! Bisher habe ich meist mit F/8 gearbeitet, neuerdings bin ich häufig mit Offenblende unterwegs um bessere Möglichkeiten zur Schärfen-Staffelung zu haben. Das möchte ich nicht mehr missen.
Einige Tage später teste ich die Kombi in der angedachten Umgebung – abends:

Venus lockt am Abendhimmel. Dazu besuche ich eine Anhöhe nahe Lobenfeld. Die Kombi packe ich auf mein Stativ und beginne mit der Motivsuche. Wie bereits erwähnt, liebe ich die große Offenblende über den gesamten Brennweiten-Bereich des Glases. Verbunden mit der realistischen Belichtungsvorschau im Display eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Dieses Bild entsteht bei 120mm mit F/4, komplett über den Bildschirm gesteuert.
Eine weitere Funktion entdecke ich auch recht schnell: Die Kamera erlaubt Belichtungszeiten bis zu 15 Minuten im manuellen Modus – gegenüber bisher nur 30 Sekunden. Das musse ich ausprobieren. Leider steigt die Belichtungsvorschau oberhalb von 30 Sekunden aus, was etwas Rechnerei zur Folge hat. Damit entsteht das folgende Bild:

4 Minuten Venusuntergang – komplett über die Kamera gesteuert; allerdings bei geschlossener Blende (F/22) und niedrigstem ISO (50).
Was für ein Fortschritt zu meiner bisherigen Arbeitsweise mit Fernauslöser; und deutlich angenehmer. Durch Kopplung mit meinem Telefon wandern automatisch die Ortsdaten zum Bild – eine sehr praktische Sache, so ich nicht vergesse, Kamera und Telefon zu koppeln 🙂 .

In den kommenden Tagen und Wochen werde ich weiter testen. Dazu grabe ich dann mal wieder meine ND-Filter aus um offenblendig längere Belichtungen machen zu können.

Was bisher bleibt ist ein Lernprozess, in dem ich das Gehäuse oft verfluche und mir die einfache Steuerung der D300s wünsche. Zudem schiele ich Richtung D500 und D850 – beide der D300s in der Steuerung sehr ähnlich, aber eigentlich unsinnig, da zu alt und mit jeweils einigen Nachteile. 45 Megapixel brauche ich nicht. Zudem sind die Fähigkeiten beider Gehäuse in höheren ISO-Bereichen zum Teil deutlich schlechter.

Kurz bevor ich diesen Text schreibe, kann ich erstmals eine andere Person die D780 bedienen lassen.
Im Rahmen des „Tages der Offenen Tür“ im Landratsamt in Heidelberg gibt es die Möglichkeit, sich im Büro und auf dem Stuhl des Landrates fotografieren zu lassen. Ein junger Kollege übernimmt das. Da er wohl den ganzen Tag nur Telefone in der Hand gehabt haben wird, fragte ich ihn, ob er denn auch mit einer richtigen Kamera fotografieren könne. Die Reaktion ist etwas verhalten. Und doch funktioniert es. Ich erkläre ihm, dass er das ausgewählte Messfeld im Sucher auf mein Gesicht richten, dann mit AF-ON fokussieren solle und abschließend mit dem Auslöser abdrücken. Das gelingt erstaunlich gut. Von insgesamt 6 Bildern ist nur eines etwas unscharf, die anderen passen. Vielen Dank an dieser Stelle an den Kollegen.
Diese kleine Anekdote zeigt mir, dass eigentlich jeder mit etwas „professionellerer“ Ausrüstung – nach kurzer Einweisung – fotografieren kann.

Der Fokus sitzt, Vorder- und Hintergrund sind leicht unscharf.

Seit dem ich das neue Gehäuse habe, freut sich die „Alte Dame“ ihres Rentnerinnen-Daseins. Doch komplett in den Ruhestand schicken werde ich die D300s wohl nicht. Im anstehenden Urlaub wird sie mit dem Tele verheiratet und erspart mir somit einen Glaswechsel. Dazu fehlt mir nur noch ein zweiter Gurt.

Die kommenden Tage und Wochen werde ich weiter testen und mich an die etwas andere Bedienung gewöhnen. Bereut habe ich die Neuanschaffung bisher nicht.
Allerdings kann es durchaus sein, dass sie nur der Zwischenschritt zum Wechsel auf ein spiegelloses System darstellen wird – sollten die bisherigen Nachteile in Zukunft verbessert werden. Aber das bringt die Zeit.

Nach diesem Artikel voller Foto-Fachsimpelei wird es bald wieder Ergebnisse geben und weniger Fachgedöns.

Ich wünsche Euch eine schöne Zeit.

— SnusTux|René M. – 09/07-2023