Meerwasser begleitet uns auch im August. Wir wechseln von der Ostsee zum Kattegatt, an die WestkĂŒste Schwedens. 450 Fahr-Kilometer liegen hinter uns. Und wir wagen den Sprung auf’s Wasser.
Göteborg im Sommer. Es ist der Mittag des 13.08.2019, gefĂŒhlt gestern. Ich bin auf dem Wasser; sitze auf einer der vielen FĂ€hren, die im sĂŒdlichen Göteborger SchĂ€rengarten unterwegs ist und diesen mit der Stadt verbinden. Ich fliege geradezu ĂŒber das Wasser. Eine leichte Brise weht bei der Ausfahrt des Hafens Saltholmen. Die kargen, doch dicht bebauten, Felsen entfernen sich von mir. Die Flagge des Königreichs weht im Wind. Genuss pur an diesem abwechslungsreichen Tag. Ein ziemliches GlĂŒcksgefĂŒhl ist in mir – nach so langer Zeit zurĂŒck in der groĂen Stadt an der WestkĂŒste. Die Sehnsucht war immer gröĂer geworden und wurde nun endlich gestillt.
Ich habe ĂŒber diese Reise im August 2019 einen sehr langen Text mit vielen Bildern geschrieben. Diesen findet Ihr hier: Göteborg im August 2019.
Diese Kalendergeschichte wird deshalb etwas anders als alle anderen. Zu frisch sind noch die EindrĂŒcke von damals, zu wenig Distanz ist dazwischen. Alle anderen Bilder sind wenigstens 7 Jahre alt – dieses nicht. Trotzdem möchte ich Euch fĂŒnf weitere Bilder zeigen, danach aber etwas anderes erzĂ€hlen.
Starten wir gegen Mittag am FĂ€hrhafen Saltholmen. Dieser ist in einer knappen halben Stunde vom Zentrum aus per StraĂenbahn erreichbar. Ich wĂ€hle einen etwas anderen Weg und fahre einen groĂen Teil der Strecke per Schiff; wechsle erst am Jaegerdorffsplatsen auf die Tram. Auch eine schöne Möglichkeit, die zudem im normalen Ăffi-Ticket inbegriffen ist.
Dort angekommen gibt es insgesamt vier Linien, die die groĂen sĂŒdlichen Inseln verbinden. Ich will nach BrĂ€nnö. Habe den Tipp bekommen, dass es dort einen wunderschönen Aussichtsplatz gibt, von dem man einen herrlichen Blick ĂŒber die Inseln, die Stadt, den Hafen und das Kattegatt hat. Also ab auf das Wasser.
Kurz bevor das Kalenderbild entsteht erhasche ich einen Blick auf einen der vielen kleinen Gesteinsbrocken im Wasser, der eines der Kreuzfahrtschiffe versteckt.
Auf BrĂ€nnö angekommen spaziere ich ĂŒber die Insel; mache erst eine gemĂŒtliche Fika-Pause um anschlieĂend den HĂŒgel mit dem kleinen HĂ€uschen zu erklimmen. Der Blick schweift ĂŒber die Gegend zum Vinga Fyr, einem Leuchtturm auf gleichnamiger Insel und westlichster Punkt der Stadt Göteborg.
Es ist so beruhigend. Vor dem kleinen Lotsenhaus mache ich eine lange Pause.
Viele Fotos entstehen. Ich bin mit mir und meinen Gedanken alleine. Es fĂŒhlt sich so gut an. Möchte am liebsten hier bleiben. Ich bin mittendrin und doch ĂŒber allem; bin Beobachter und GenieĂer. Die Zeit vergeht…
…doch viel zu schnell. Nach etwa einer Stunde trete ich den RĂŒckweg zum kleinen FĂ€hranleger an und warte.
Eben jene “Vesta” bringt mich alsbald zurĂŒck nach Saltholmen. Von dort geht die Reise durch die Stadt noch eine Weile weiter. Alles dazu erfahrt Ihr im oben verlinkten Artikel.
Hier endet die kleine Geschichte zum Kalenderbild. Wir sind im Hier und Jetzt. Es wird etwas ernster und nachdenklicher. Das eine Thema will ich ansprechen, da es zum Teil Ursache fĂŒr diese kleine Serie ist, so schwer es auch fĂ€llt und in gewisser Weise eine Bruch darstellt. Aber es muss sein.
Mitte Juli 2021. Seit nunmehr 16 Monaten ist die Welt eine andere. Anfang letzten Jahres begann es als etwas weit entferntes in China. Ein kleines – fĂŒr menschliche Augen unsichtbares – Virus erschien in den Medien. Wuhan wurde dicht gemacht. GroĂartige Gedanken machte ich mir damals noch nicht ĂŒber das Kommende. Ich war mitten in meinem Praktikum im Heidelberger Schloss und stand kurz vor dem Abschluss meiner Ausbildung. So richtig auf den Schirm kam Corona erstmals Mitte Februar. In einigen anderen LĂ€ndern traten erste FĂ€lle auf, auch in Deutschland. An meinem letzten Tag durfte ich AushĂ€nge machen. So war ich plötzlich mittendrin. Wir alle waren mittendrin, ohne es zu wissen. Ich konnte gerade noch meine AbschlussprĂ€sentation zusammenbasteln, war aber doch die letzten beiden MĂ€rz-Wochen daheim. Hierbei haben sich mir zwei Daten in den Kopf gebrannt. Freitag, der 13. MĂ€rz und Dienstag der 17. MĂ€rz. An ersterem Datum fand eine groĂe Infoveranstaltung in meiner Schule statt und es wurde gemunkelt, dass alsbald kein PrĂ€senz-Unterricht mehr stattfinden wĂŒrde. am Abend dieses Tages gab es eine Pressekonferenz der hiesigen Landesregierung. Dabei sprach sich unsere damalige Kultusministerin, Susanne Eisenmann, vehement gegen SchulschlieĂungen aus. Ich begann sie innerlich zu hassen. Am Wochenende ĂŒberschlugen sich die Ereignisse. Und so kam es, dass uns am darauffolgenden Montag mitgeteilt wurde, dass dies der letzte Schultag sei. Es war unklar, ob unsere mĂŒndlichen AbschlussprĂŒfungen noch am ursprĂŒnglichen Datum stattfinden wĂŒrden. Ab dem 17. MĂ€rz saĂ ich daheim – meine PrĂ€si fast fertig. Zwei Wochen spĂ€ter bestand ich die PrĂŒfung und hatte meinen Abschluss in der Tasche.
Die Pandemie – dieses Wort, das so stark und prĂ€sent in den Alltag eindrang und bis heute nicht wieder verschwand – beherrschte den Alltag und lieĂ alles Andere in den Hintergrund rĂŒckend. Wie alle wurde ich Teil davon. Suchend, ratlos, beobachtend. Ich sah, was hier in Deutschland los war und was in Schweden los war. So gegensĂ€tzlich diese beiden LĂ€nder. In dem Land im Norden schien so garnichts zu passieren, der Alltag lief einfach weiter. Unterdessen gab es hier starke EinschrĂ€nkungen im Alltag. Die erste Welle wurde langsam gebrochen. In Schweden stiegen die Zahlen unvermittelt weiter. In mir wuchs das UnverstĂ€ndnis. Ich wollte nicht glauben, dass man so lax und aus meiner Sicht unverantwortlich mit der ernsten Lage umgehen kann. Zu diesem Thema findet sich bei der gröĂten schwedischen Zeitung “Aftonbladet” ein sehr umfangreicher Beitrag mit dem traurig-treffenden Titel “Hur blev vi pandemins försökskaniner? – Wie wurden wir zu den Versuchskaninchen der Pandemie?”
Meine Liebe begann zu erkalten. Ein Prozess, in dem ich noch immer bin. Ich habe eine innere Distanz aufgebaut; beobachte und schĂŒttele mit dem Kopf – bis heute.Â
Ein gutes Jahr spĂ€ter hat sich wenig geĂ€ndert. Zwei weitere, wesentlich stĂ€rkere, Wellen sind vorĂŒber. Dinge, die damals kaum zu erahnen waren. Schweden steckt in einer Regierungskrise, Deutschland ist im Wahlkampfmodus. Trotzdem die Zahlen gerade niedrig sind, bleibt die Lage ernst. Neue Mutanten sind unterwegs – gefĂ€hrlicher und ansteckender als das ursprĂŒngliche Virus. Aus allen Ecken werden Lockerungen verlangt. Die Mahner werden von krakeelenden Stimmen ĂŒberlagert. Ich habe Angst. Trotz Impfung bin ich weiterhin zurĂŒckhaltend. Bin oft daheim und schrĂ€nke meine sozialen Kontakte ein. Ich befĂŒrchte, dass es Richtung SpĂ€tsommer/Herbst wieder nach Oben geht; dass eine weitere Welle folgen wird.
Und um aus diesem eher tristen Alltag zu entfliehen kam mir im Herbst letzten Jahres die Idee zu dieser kleinen Serie. Einfach mal fĂŒr ein paar Minuten weg von der Pandemie, weg von dem Virus. Abschalten und genieĂen; die Gedanken fliegen lassen. Eine Art Selbsttherapie an der ich Euch teilhaben lassen möchte.
Wie es weitergeht, weiĂ ich nicht. Das weiĂ niemand. Ich hoffe, dass es bald besser wir. Lassen wir uns ĂŒberraschen…
Hier die technischen Daten zum Bild:
Datum & Uhrzeit: 13.08.2019, 13:07 Uhr
Kamera: Nikon D300s
Objektiv: Sigma 17-70 f/2.8-4 OS
Brennweite: 22mm
Blende: f/8
Verschlusszeit: 1/1000s
ISO-Wert: 200
Bei der Nachbearbeitung ich ein bisschen an Farben und Kontrasten geschraubt.
Das Meer lĂ€sst uns auch im August nicht los. Nur geht es dieses Mal ans andere Ende Skandinaviens – an die Barentssee
Bis dahin,
â SnusTux|RenĂ© M. â 01/08-2021