Uff! Was für eine anstrengende Tour von Malmö in den hohen Norden. Mit dem Auto haben wir für die über 2.200 Kilometer gute 25 Stunden gebraucht. Und sind nun auf dieser Birken-gesäumten Straße angekommen:
Es ist der frühe Nachmittag des 05. Juli 2011. Ich stehe an der Straße – dem Austertanaveien – und warte. Vielleicht kommt ja bald mal ein Bus, der mich irgendwo hinbringt. Vielleicht nach Tana bru, oder doch eher nach Berlevåg? Ich werde warten müssen, da hier oben im Niemandsland kaum etwas fährt. Nutze stattdessen die Zeit, um mich umzuschauen und den Moment zu genießen – hier oben, am Ende Europas; hier oben, auf der subpolaren, norwegischen, Varangerhalbinsel; hier oben, an der Mündung des Tana in den Tanafjord und die Barentssee. Auf gut 70 Grad Nord – näher am Nordpol, als am heimischen Heidelberg.
Ich bin auf der Reise von Berlevåg nach Kirkenes und habe bereits 100 Kilometer hinter mich gebracht. Diese Straße sehe ich dabei zum zweiten Mal. Ist sie doch die einzige befahrbare Strecke in das Fischerdorf an der Nordküste von Varanger. Kaum 24 Stunden vorher war ich erstmals hier gewesen. Dabei imponierte mir diese schnurgerade, 4 Kilometer lange, Strecke. Eine Straße ganz für mich allein, an diesem sommerlichen Tag. In meinen Aufzeichnungen von damals schreibe ich:
“Während des 20-minütigen Stopps passieren mich fünf Autos.”
Tags zuvor auf der Hinfahrt notiere ich folgendes:
“Nach einer Brückenüberquerung geht es am östlichen Ufer auf einer kleinen Straße weiter nordwärts. Ich bin auf der Varanger-Halbinsel angekommen. Neben mir erstreckt sich mittlerweile das riesige Delta des Flusses und gibt in der Ferne den Blick auf den Tanafjord frei. Binnen kurzer Zeit wandelt sich die Flora. Die recht großen grünen Bäume weichen kleinen verkrüppelten Birken. Diese säumen auch einen schnurgeraden, fast 2 Kilometer langen Straßenabschnitt. An diesem entdecke ich links von mir eine kleine Kirche, an der ich allerdings nicht halte. Ich bin allein auf weiter Flur.”
Diese Worte fassen das Bild der Landschaft sehr gut zusammen. Ich möchte Euch noch drei weitere Bilder dieses Ortes zeigen. Zuerst die schnurgerade Straße mit den Bergen im Hintergrund:
Dieses Bild hatte ich ursprünglich für den Februar geplant, mich dann aber doch anders entschieden. Das hat folgenden Grund: Es ist vom Aufbau her sehr nahe am Januar mit dem markanten Fluchtpunkt. Ich möchte in diesem Kalender auch ungewöhnliche Perspektiven bieten, weshalb ich mich schließlich anders entschied. So kann ich Euch aber dieses Bild hier in der Hintergrundgeschichte zeigen.
Als weitere Aufnahme ein Bild der kleinen – ich bezeichne sie als “verkrüppelt” – Birken:
Windschiefe Bäumchen mit zerbrechlich wirkenden Stämmen und Ästen. Das höchste, was hier oben noch wächst und sich gegen die rauhen Bedingungen stemmt.
Und zum Schluss die bereits erwähnte Kirche mit kleinem Friedhof:
Es ist alles so unwirklich und doch schön Spuren menschlichen Lebens auf diesem Breitengrad zu finden.
Die Fahrt nach Tana geht weiter. Gute 10 Minuten später erreiche ich einen kleinen Parkplatz am Fluß und schaue auf die Sandbänke. Damals hatte ich das als “Delta” bezeichnet.
Im Sommer zieht der Strom gemächlich seine Bahnen. 1-2 Monate vorher wird das noch anders aussehen, wenn die Zeit der Schneeschmelze ist und die Fluten durch das Tal zum Meer stürzen.
Eine weitere Stunde später erreiche ich die einzige Brücke über den Tana weit und breit. Die nächste befindet sich erst 70 Kilometer flussaufwärts beim finnischen Ort Utsjoki. Ich blicke erneut über den Fluß. Die Landschaft ist, wie bereits erwähnt, grüner geworden.
Es ist der frühe Abend. Vor mir liegen noch gut 130 Kilometer zum Ziel in Kirkenes.
Darüber werde ich Euch in einer weiteren Kalendergeschichte berichten. Auch von dem, was an diesem 5. Juli vorher passierte. Dieses Bild ist der Anfang einer Serie, die binnen 36 Stunden entstanden und auf drei verschiedenen Kalenderblättern zu sehen ist. Von diesen Dreien ist es das mittlere.
Hier die technischen Daten zum Bild:
Datum & Uhrzeit: 05.07.2011, 16:22 Uhr
Kamera: Nikon D90
Objektiv: Nikkor 18-105 VR
Brennweite: 105mm
Blende: f/8
Verschlusszeit: 1/500s
ISO-Wert: 200
In der Bearbeitung habe ich mich vor allem auf Farben und Kontraste konzentriert. Das Ganze ist leider etwas verunglückt und wirkt sehr grell. Es gibt dieser rauhen Landschaft aber den Farbtupfer, den sie verdient.
Im März geht es zurück nach Schweden, gute 1000 Kilometer nach Süden. Ich nehme Euch in eine Landschaft mit, die es mir besonders angetan hat.
Bis dahin,
— SnusTux|René M. – 01/02-2021