Servus und willkommen zu (m)einer kleinen Reise in 3 österreichische Städte.
Dazu ein kleines Rätsel: 2-1-4. Nun seid Ihr dran.
…
Eine kurze Recherche löst dieses „2-1-4 -Rätsel“ recht schnell.
Es handelt sich dabei um die Rangordnung in Bezug auf Einwohnerzahl in der Alpenrepublik. Auf Platz zwei findet sich dabei Graz mit knapp 300.000 Menschen; Platz eins wird selbstverständlich von Wien mit etwa 2 Millionen Menschen belegt und auf Platz vier findet sich, hinter Linz, Salzburg mit gut 150.000 Einwohnern.
Nun wisst Ihr also schonmal, wohin es mich verschlagen hat. Und in eben jener Reihenfolge habe ich diese Städte besucht. Dabei nächtigte ich fünf Mal in der steirischen Landeshauptstadt, vier Mal in der Donaumetropole und drei Mal in der Mozart-Stadt.
Doch von Anfang an:
Die Grundidee basiert zum Teil auf meiner letztjährigen Reise nach Berlin. Nach der deutschen Bundeshauptstadt nehme ich mir vor, die anderen D-A-CH-Hauptstädte zu besuchen. Und als erstes Nachbarland soll es Österreich werden, in diesem Fall also Wien.
Oder so ähnlich.
Im Laufe des Jahres höre ich mich mal wieder in alte Musik, insbesondere der EAV, und DÖF (Wer kennt die noch?; haben mir während meiner Reise einen passenden Ohrwurm beschert.) rein. Das Wienerische ist schon eine Wohltat für die Ohren.
Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen, das neue Jahr startet. Wie so oft grüble ich herum, was mit meinen verordneten freien Tagen passieren soll. Nachdem es 2023 so erholsam war, im März zwei freie Wochen zu haben, möchte ich das 2024 wiederholen. Anfang Januar werden aus bloßen Gedanken konkrete Pläne. Diese sind nicht nur von der Musik beeinflusst. Wien soll eine Rückkehr werden, war ich doch vor über 30 Jahren schon einmal als Kind dort. Aber nur Wien? Klar, die Stadt bietet genug Erlebnisse für viele Tage. Aber irgendwie reicht mir das nicht. Eine andere Stadt ploppt in meinem Kopf auf – Graz. Einerseits weil eine gute Bekannte dort einen Einstufungstest an der Uni hatte, andererseits, weil die Stadt eine Besonderheit hat. Seit November 2021 ist mit Elke Kahr eine Politikerin der KPÖ (ja, die ‚bösen‘ Kommunisten!) Stadtoberhaupt. Das reizt mich doch sehr. Also Graz und Wien.
Wie so oft in letzter Zeit liege ich nachts wach und lasse meinem Kopf-Karussell freien Lauf. Ein konkreter Plan entsteht. Knappe zwei Wochen sollen es werden. Den Fokus will ich dabei auf die Steiermark legen und Wien nur kurz ‚Servus‘ sagen; will mir dort vor allem die Gemeindebauten aus den 1920-er und frühen 1930-er Jahren anschauen. Also Urlaub einreichen und mit der Detail-Planung beginnen. Nach einem langen Abend sind Hotels und Zugverbindungen in trockenen Tüchern und die Vorfreude beginnt. Salzburg plane ich dabei als Stopp für die Rückreise ein, da ich von dort nonstop nach Heidelberg komme und ein letzter Höhepunkt wartet.
Leider sind die darauffolgenden Wochen, trotz Stundenreduzierung, extrem stressig. Ich bin ausgelaugt und quäle mich schon fast in den März. Auch der letzte Tag vor Reisebeginn verlangt mir noch einmal alles ab.
Koffer packen und am Abend noch schnell ein Taxi zum Bahnhof organisieren und dann durch eine unruhige Nacht quälen – 10 Stunden Zugfahrt stehen bevor.
Tag 1: Donnerstag, 14.03.2024:
Am Morgen des 14. März steige ich in mein Taxi zum Bahnhof und stelle fest, dass die Bahn ihrem Ruf gerecht wird und Verspätung hat. Glücklicherweise geht es erst einmal ‚nur‘ nach Stuttgart. Dort habe ich allerdings auch nur wenig Zeit für den Umstieg. Mein Zug verrät schon das Kommende. Er ist von den ÖBB, den Österreichischen Bundesbahnen und wird von der Baureihe 1016/1116 gezogen, der allseits bekannten „Taurus“.
Der Umstieg in Stuttgart klappt problemlos, kann ich doch entspannt am selben Bahnsteig warten und muss auch keine Weltreise unternehmen.
Auf nach Graz! Nach der Tunnel-lastigen ersten Etappe geht es bald bergan. Als Eisenbahn-Enthusiast ist der Albaufstieg über die Geislinger Steige schon ein Erlebnis. Über eine kurvenreiche Strecke geht es vom Filstal bergan auf die Albhochfläche. Der Zug ist gut gefüllt. Und das wird sich sobald nicht ändern. Über mehrere Zwischenstopps rollt der Eurocity durch Baden-Württemberg und Bayern gen Grenze. Dabei kann ich mir ein eigenes Bild vom tiefsten Oberbayern machen. Die Alpen rücken langsam näher und sind bald zum Greifen nahe. Hinter Freilassing ist Österreich erreicht.
In Salzburg wechselt das Personal von DB zu ÖBB. Irgendwie ist dieses wesentlich freundlicher. Ich bekomme eine Zeitung angeboten und es gibt Verpflegung. Entlang der Salzach geht es nach Bischofshofen und bald darauf durch ein enges Tal bergan. Die kommende gute Stunde zuckelt der Zug über eine eingleisige Strecke durch das weite Tal der Enns, gesäumt von Bergen auf denen noch Kunstschnee-Pisten-Schneisen geschlagen sind, welche recht gut frequentiert sind. Dabei liegt die Außentemperatur bei um die 10 Grad Plus. Ich finde das sehr befremdlich; Ski-Tourismus um jeden Preis; die Alpen als Geldquelle; ein letztes Aufbäumen gegen den Klimawandel.
In Selzthal macht mein Zug zum dritten Mal Kopf, Graz rückt näher. Die schneebedeckten Berge verschwinden bald wieder in die Ferne und Grün bestimmt das Bild, während es an der Mur nach Süden geht. Noch schnell eine Wochenkarte für die Öffis organisieren und weiter genießen.
Um kurz nach Vier erreiche ich Graz. Bin fix und fertig und schnappe mir die nächste Bim (=Straßenbahn) in die Innenstadt. Bei sonnigem Wetter ist gut was los. Die ganzen Eindrücke kann ich schwer verarbeiten während ich über das Kopfsteinpflaster der Sporgasse zu meinem Hotel stiefele. Kurz darauf bin ich einem riesigen modernen Zimmer und schnaufe durch. Auch wenn mir schon die Augen zufallen, so will ich doch noch einen kleinen Spaziergang machen und mir auch etwas zu Futtern organisieren. Bepackt mit meinem ‚Nachtsichtgerät‘ verlasse ich bald das Hotel. Es ist kurz nach sechs Uhr, die Dämmerung bricht langsam an. Die perfekte Zeit um meine letztjährige Investition in neue Ausrüstung zu rechtfertigen.
Nach dieser Text-Wand seht Ihr hier bebilderte Eindrücke dieses ersten Spazierganges durch Graz:
Erster Eindruck: Eine sehr sympathische Stadt. Irgendwie klein und gemütlich, beim Blick von oben aber doch recht groß. Und der Schlossberg mit Uhrturm, der bei mir um die Ecke ist, bestimmen das Stadtbild.
Tag 2: Freitag, 15.03.2024:
Zeit, die Stadt bei Tageslicht zu erkunden.
Vom Karmeliterplatz spaziere ich durch die Oberstadt und von dort durch das „Bermudadreieck“ zur Herrengasse; diese anschließend entlang zum Jakominiplatz. Alt, groß, eng. Ich fühle mich an zwei deutsche Städte erinnert – Pirna und Heidelberg. Die Grazer Gassen haben was von Pirna, dazu der Architekturmix von Renaissance bis Gründerzeit. Und Barock ist in der Heidelberger Altstadt stark vertreten. Viele Durchgänge führen durch Hinterhöfe, hinter denen sich kleine Plätze auftun. Die Herrengasse ist eine typische Flaniermeile, auf der auch die Bim verkehrt. Am Jakominiplatz ist die südliche Begrenzung der Altstadt erreicht. Ein kleiner Park erinnert an das früher hier befindliche „Eiserne Tor“ – eigentlich das Äußere Tor.
Folgt mir gern auf diesem kleinen Spaziergang.
Nach einer kurzen Pause fahre ich mit der Bim gen Norden in die Sackstraße. Von hier geht es wieder zu Fuß weiter.
Kleiner Einschub:
In Graz kann man zwischen Jakominiplatz und Hauptplatz (+ je eine weitere Haltestelle pro Richtung) kostenlos mit der Bim fahren. Finde ich sehr nett, gerade, wenn man nicht mehr so gut zu Fuß ist.
Der Blick über den Schlossplatz ist schon gewaltig, gerade die Treppe, welche vor gut 100 Jahren angelegt wurde wirkt imposant. Das komplette Kontrastprogramm ist die Murinsel – ein schwimmender Koloss aus Stahl und Glas, mit Freilicht-Theater und kleinem Café. Nach einer Stärkung schlendere ich zur Bergbahn. Mal wieder fühle ich mich wie daheim. Im Gegensatz zur hiesigen Bergbahn geht es nicht durch Tunnel bergauf und die Sicht ist entsprechend, während der Blick auf die Stadt immer mehr weitet. Ich liebe es.
Oben angekommen erkunde ich die Überreste der alten Festungsanlage. Dank Napoleon ist nicht mehr viel übrig. Einzig zwei Türme und ein paar Mauerreste zeugen von dem früheren Bollwerk.
Was ich gestern bei Nacht gesehen habe, genieße ich nun bei Tageslicht. Bin zurück am Uhrturm und steige zur Bürgerbastei hinab. Hier ist es doch erstaunlich ruhig, trotz Freitagnachmittag. Während meiner Fotopause wohne ich einem kleinen atmosphärischen Schauspiel bei – ein 30°-Halo erscheint neben der Sonne.
Von hier oben wirkt die Innenstadt sehr eng. Überall rote Ziegeldächer, nur durch die Dachlandschaft eines Kaufhauses kontrastiert. Zudem ist der Frühling in der Stadt angekommen und überall blüht es.
Kleiner stadtgeschichtlicher Einschub:
Im Inneren des Berges findet sich ein Zeugnis deutschen Größenwahns und letztendlich auch großer Notwendigkeit. Als bedeutende Industriestadt war Graz schon früh Ziel alliierter Angriffe während des II. Weltkrieges. Im Zuge dessen wurden durch Zwangsarbeiter ein über 6 Kilometer langes und etwa 12.000m² großes Stollensystem angelegt. Überreste davon gibt es heute noch. Sie wurden teilweise umgebaut und werden heute für unterschiedliche kulturelle Zwecke genutzt. Ein Überbleibsel davon ist der Durchbruch vom Karmeliterplatz zum Schlossplatz. Nachfolgend ein paar Impressionen davon von Samstag (16.03.) und Montag (18.03.). Und dabei habe ich nur einen Bruchteil gesehen.
Tag 3: Samstag, 16.03.2024:
Hier noch ein paar weitere Eindrücke von meiner kleinen Tour durch den Berg zur Mur. Ich experimentiere ein bisschen mit Blickwinkeln und Licht.
Tag 4: Sonntag, 17.03.2024:
Am Sonntag nutze ich endlich die Bim. Und wenn schon, dann auch die längste Linie. Die 1 verbindet das Krankenhaus in Eggenberg im Westen mit Mariatrost im Osten. In Eggenberg findet sich eine große Schlossanlage, deren Ursprünge sich in Renaissance und im Barock finden. Eingebettet ist die Anlage in einen barocken Garten. Zum sonnigen Sonntag ist die Anlage gut besucht – nicht nur von menschlichen Touristen.
Folgt mir auf dem kleinen architektonischen und Natur-Spaziergang.
Nach etwa 1 1/2 Stunden schlendere ich zurück zur Tram und beginne meine Stadtrundfahrt auf Schienen in die östlichste Ecke von Graz.
Hier schlägt mir der Katholizismus mit voller Wucht ins Gesicht. Schon der Name des Stadtteils verrät alles – Mariatrost. Ursprung davon ist die Wallfahrtskirche gleichen Namens, die über der dörflichen Umgebung thront. So erklimme ich die Treppen gen Himmel – was wohl mit vollem Bedacht so angelegt wurde. Oben angekommen ist die Sicht eher mäßig. Mein Ziel, den Schloßberg zu sehen wird von Bäumen verstellt. Stattdessen scheint eine Veranstaltung zu sein und die Basilika ist geschlossen. So spaziere ich etwas umher und nehme auf dem Rückweg die Straße. Irgendwie ist die Stimmung schwer und passt mir nur wenig. Bevor mich die Bim zurückbringt, schaue ich noch kurz von Außen am Straßenbahn-Museum vorbei.
Nachdem ich einen sehr leckeren Burger probiert habe, spaziere ich vom Univiertel zurück zum Hotel. Langsam bricht die Nacht über Graz herein.
Tag 5: Montag, 18.03.2024:
Montag, der letzte volle Tag in der Stadt.
Ich erkunde die Umgebung des Hotels und wage einen Schwenk auf die andere Seite der Mur. Nach einem neuerlichen Besuch des Burger-Ladens in St. Leonhard geht es in die Oberstadt zum früheren religiösen und politischen Zentrum von Graz. Einen kleinen Höhepunkt habe ich mir für diesen letzten Abend vorgenommen: Die spätgotische Doppelwendeltreppe. Anschließend lasse ich im Burggarten ein bisschen die Gedenken kreisen und den Abend langsam ausklingen.
Tag 6: Dienstag, 19.03.2024:
Auf in ein neues Abenteuer und zurück in meine Jugend. Doch so recht kann ich mich von Graz nicht trennen. Ich mag die Stadt und habe sie in mein Herz geschlossen. Einerseits liegt Graz für mich recht weit ab vom Schuss, durch die Alpen vom Rest des Landes getrennt – andererseits macht dieser mediterrane und eher südeuropäisch angehauchte Charme Graz für mich so sympathisch. Und ich habe recht oft Parallelen zu meiner Heimat ziehen können – dieser Dreiklang aus Bergen, Wasser und alter Stadt, garniert mit weiten Blicken.
Doch dieser Abschied wird mir mit Geschichte und Ingenieurskunst versüßt. Ich fahre über die weltweit erste Gebirgsbahn, die seit fast 30 Jahren Weltkulturerbe ist. Die Semmeringbahn verbindet die nordöstliche Steiermark mit dem südlichen Niederösterreich. Von Mürzzuschlag (ja, diesen Ort gibt es wirklich!) schlängelt sich die Bahn auf 13 Kilometern 215 Höhenmeter zur Passhöhe Semmering um anschließend auf 30 Kilometer 460 Höhenmeter bis Gloggnitz zu verlieren. Die direkte Entfernung beider Orte beträgt dabei nur 21 Kilometer.
Im Railjet der ČD bekomme ich nur einen Bruchteil der 170 Jahre alten Strecke mit. Brücken, Tunnel, Galerien und unzählige Kurven machen die Strecke aus. Ich mag mir kaum vorstellen, wie schwer der Bau in den Kindertagen der Eisenbahn war und bin schwer begeistert. Falls Ihr mal zwischen Wien und Graz unterwegs sein solltet, dann nehmt lieber die Bahn – eine unbedingte Empfehlung!
Hier nun ein paar Bilder aus dem fahrenden Zug:
Wien. Ich fühle mich beim Marsch vom Zug zur U-Bahn durch den neuen Hauptbahnhof sehr an Berlin erinnert. Es ist voll, es ist modern, es ist groß! Allein die kurze Fahrt zum Stephansplatz lässt mich in das Gewusel der Großstadt eintauchen. Und das wird die kommenden vier Tage auch so bleiben. Das liegt wohl hauptsächlich daran, dass mein Hotel in einem Nachbarquartier des Stephansdoms liegt – zentraler geht es kaum. Und ich habe es ja so gewollt und mir ausgesucht. Mozart und der Klassizismus sind allgegenwärtig. Allein schon die altehrwürdige Ausstattung meines Hotels lässt mich ehrfürchtig werden. Nachdem ich meine Gedanken gesammelt und mich von der Zugfahrt etwas ausgeruht habe, nehme ich die Bundeshauptstadt unter meine Füße. Durch Straßenschluchten edler Bürgerhäuser spaziere ich erst zur Touristeninformation am Albertinaplatz und erkunde die Rückseite der Hofburg. Anschließend geht es mit einem kleinen Elektrobus zum Donaukanal und von dort durch die Rotenturmstraße zu Dom und Hotel. Unterdessen verschwindet die Sonne langsam und der Abend bricht herein. Folgt mir gern auf dieser ersten Erkundung der Innenstadt.
Tag 7: Mittwoch, 20.03.2024:
Heute erkunde ich Wien von Unten und von Oben und lasse mich von der Tram durch die Stadt treiben.
So langsam wird mir das Wesen dieser Stadt bewusst. Wien ist so viel, groß, beeindruckend… Dagegen wirkt Graz wie ein beschauliches Dorf. Ich lasse die Innenstadt mit ihren verwinkelten Gassen, kleinen Plätzen und verzierten Bürgerhäusern auf mich wirken, während ich Richtung Votivkirche spaziere um dort die Tram zu nehmen. An der Endhaltestelle Grinzing wirkt es dagegen wieder sehr dörflich.
Von Grinzing fährt mich ein sehr gut gefüllter Bus auf die Wiener Höhenstraße zu zwei Aussichtspunkten. Einen ersten Stopp mache ich am Cobenzl, anschließend geht es zum Leopoldsberg – dem nordöstlichsten Ausläufer der Alpen. Gerade hier ist es eher ruhig und ich spaziere etwas umher und fange die dunstige Stadt in ein paar Tele-Aufnahmen ein; zudem Natur und Architektur auf dem Berg. Gerade der schmale Berg-Grat zwischen Niederösterreich und der Stadt beeindruckt mich. Die Grenze ist ganz in der Nähe. Genießt mit mir die Weitblicke in den Dunst.
Nach diesem ersten Höhepunkt fahre ich in die Stadt zurück. Ich will Wien auf eine etwas andere Art kennenlernen. Direkt hinter der Endhaltestelle des Busses türmt sich Burg-artig ein riesiger Wohnkomplex auf – ein Wohnkomplex der Sinnbild und Aushängeschild einer Wiener Besonderheit ist. Es handelt sich um den Karl-Marx-Hof, ein Wohnbauprojekt des „Roten Wien“ – die Zeit der sozialdemokratischen Stadtregierung und Bundesland-Werdung zwischen 1919-1934. Über einen Kilometer zieht sich der schmale Block entlang der Heiligenstadter Straße im 19. Wiener Gemeindebezirk. Als Wien-Besucher hat man das eher weniger auf dem Schirm.
Hier ein paar erste Eindrücke der Anlage:
Ich mache mich mit der Tram langsam auf den Heimweg. So recht ist dieser Tag aber noch nicht zuende.
Während ich meine Gedenken sammle, kommt mir eine Idee: Könnte mein Stativ eventuell in den Rucksack passen und könnte ich damit eventuell nachts nochmal auf den Cobenzl fahren, so denn zu später Stunde noch Busse dorthin fahren? Ja und ja!
Eine kurze Recherche später steht der Plan.
Gegen 19:00 Uhr nehme ich den letzten Citybus zur Tram und fahre zurück nach Heiligenstadt. Von dort bringt mich der Bus zurück auf den Berg. In der Dunkelheit erstrahlt vor mir das Lichtermeer der Stadt. Eine Dreiviertelstunde verbringe ich auf der Aussichtsplattform und versuche die Stadt in Bilder zu gießen, einschließlich eines Selbstportraits. Ich bin nahezu allein. Einzig ein paar Damen un Herren jüngeren Alters nutzen den naheliegenden Parkplatz um mit ihren Fahrzeugen zu protzen. Davon lasse ich mich kaum irritieren und genieße stattdessen die Nacht auf dem Berg.
Auf der Rückfahrt mache ich nochmals Station am Karl-Marx-Hof, ehe es entspannt mit der Tram heim geht und ich die Kärntner Straße bei Nacht erlebe. Trotz der späten Uhrzeit ist diese Haupt-Einkaufsstraße noch gut belebt.
Ein langer und ereignisreicher Tag geht zuende. Viel Spaß mit den folgenden Bildern vom nächtlichen Wien:
Tag 8: Donnerstag, 21.03.2024:
Ich begebe mich am Nachmittag zurück in die Geschichte. Das Museum im Karl-Marx-Hof hat nur wenige Stunden in der Woche geöffnet und das möchte ich mir nicht entgehen lassen. Und so fahre ich zum dritten und letzten Mal nach Heiligenstadt.
Die Zeit rast während ich in diese sehr anschauliche Sammlung zum „Roten Wien“ eintauche. Dabei scheint der soziale Wohnungsbau nur ein Teil gewesen zu sein. Es sollte ein neuer Mensch erzogen werden. Zufällig habe ich während des Schreibens dieser Zeilen ein passendes Video bei Youtube gefunden. Viel Spaß damit. Ein paar weitere Aufnahmen entstehen noch, ehe ich meinen Nachmittags-Tour fortsetze.
Nach diesem Blick zurück überquere ich den Donaukanal und gelange zum Prater. Nachdem ich das Riesenrad in der Nach zuvor schon von Oben gesehen habe, stehe ich nun davor. Den Prater selbst betrete ich nicht und bleibe nur im Park davor. Nach einer Weile fahre ich zurück in den 1. Gemeindebezirk und spaziere noch ein bisschen durch die Gassen.
Tag 9: Freitag, 22.03.2024:
Mein letzter voller Tag in Wien steht ganz im Zeichen des 1. Gemeindebezirkes und beginnt mit einem Höhepunkt.
Im Dom gibt es zwei Möglichkeiten, die Stadt von Oben zu sehen. Entweder ist der Südturm über 343 Stufen zu erklimmen, oder man nimmt entspannt den Aufzug auf den Nordturm. Ich entscheide mich für Letzteres und stehe wenig später auf der Aussichtsplattform über dem Stephansplatz. Ich bin mitten in der Stadt und doch darüber. So gut es geht versuche ich meine Eindrücke in Bilder zu fassen. Es scheinen nur Touristen hier oben zu sein. Zwischen dem Sprach-Wirrwarr schnappe ich Fetzen eines mir wohl vertrauten Idioms auf. Mit mir genießen zwei Schwedinnen den Ausblick über die Stadt. Wie schön.
Nachdem ich wieder im Dom bin, kann ich dessen Inneres nochmal bei Tageslicht festhalten.
Die kommenden Stunden verbringe ich im WienMuseum direkt an der Ringstraße. Ein Stadtmuseum, dass ohne Eintritt zu besichtigen ist und einen sehr umfangreichen und anschaulichen Blick auf die Stadt bietet.
Achja, die Ringstraße… eine weitere Besonderheit Wiens, die sich durchaus auf die meisten mitteleuropäischen Städte übertragen lässt, die während der Industrialisierung ihre alten Befestigungsgrenzen gesprengt haben. Allerdings folgte in vielen dieser Städte eine eher organische und teilweise ungeplante Bebauung der Freiflächen. Nicht so in Wien. Hier wurde der Glacis planmäßig zwischen 1860-1890 im Stil des Historismus bebaut. Darauf finden sich viele bedeutende Gebäude der Stadt, wie das neue Rathaus und das Parlamentsgebäude. Folgt mir auf diesem kleinen Spaziergang.
Von hier begebe ich mich zurück in das k.u.k. (=kaiserliche und königliche) Wien der Zeit vor 1918. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Rathauses finden sich Volksgarten und Heldenplatz, direkt vor der Hofburg. Die schiere Größe der Anlage erschlägt mich. Nicht ganz unschuldig daran ist der Erbauer der ersten Dresdner Hofoper, Gottfried Semper, der an den Plänen der neuen Burg mitgewirkt hat. Durch die Touristenmassen schlängele ich mich am Sisi-Museum vorbei und bin zurück in der Altstadt. Langsam wird es Abend.
Der Rückweg zum Hotel wird etwas länger. Ich habe mir noch eine letzte Wiener Besonderheit vorgenommen. Aus dem Nichts ist da eine Straßenbrücke in der nahezu ebenen Stadt-Landschaft der Innenstadt. Ein Überrest aus der Römerzeit. Passend dazu hat die überbrückte Straße den Namen „Tiefer Graben“. Hier fand sich vor etwa 2.000 Jahre der Wallgraben. Zu guter Letzt stehe ich noch vor den Alten Rathaus. Damit beschließe ich meine Erkundung der Stadt.
Tag 10: Samstag, 23.03.2024:
Der Frühling ist in Wien angekommen. Wie in vielen Großstädten ist auch Wien an diesem Wochenende überlaufen, sodass ich mir ein Taxi zum Hauptbahnhof organisiere. Eine interessante Fahrt mit ein paar Einblicken in die Stadt und das Wesen der Menschen.
Von hier bringt mich der Zug nach Westen. Anfangs ist es recht dunkel, da ich schon bald nur noch Tunnelwände sehe. Komisch, in Österreich funktionieren Dinge, die hier ewig dauern. Der Rest der Fahrt ist von Regen geprägt. Die Landschaft wechselt zum Ende wieder ins Alpine, während um Linz Schornsteine dominieren.
Salzburg begrüßt mich mit Grau.
Auch hier habe ich wieder sehr zentrale Übernachtungsmöglichkeit. Auf dem Weg dorthin nutze ich den O-Bus – ein Verkehrsmittel, dass mittlerweile selten geworden ist. In Salzburg hat dieser ab 1940 die Tram abgelöst. Noch ein kurzer Spaziergang durch die Innenstadt rechts der Salzach und schon stehe ich vor meinem Hotel. Ich werde nett begrüßt und fühle mich gleich wohl in meinem heimeligen kleinen Zimmerchen. Die nette Dame an der Rezeption versorgt mich mit Tipps zur Stadt. Viel passiert an diesem Abend nicht mehr. Ich gehe noch kurz Einkaufen und ziehe mich dann zurück. Die vergangenen Tage haben ihre Spuren hinterlassen; die vergangenen Arbeitswochen wirken nach. Ruhe in dieser wuseligen Stadt.
Tag 11: Sonntag, 24.03.2024:
Ich lasse es langsam angehen. Eigentlich gibt es nur ein wirkliches Ziel, dass ich hier habe. Das ist aber an gutes Wetter gebunden. An diesem Sonntag ist es eher schläfrig und grau, und so verbringe ich den Vormittag entspannt im Bett. Erst zum Nachmittag schäle ich mich aus den Federn und nutze eine schöne Möglichkeit, die mir das Hotel bietet: Der Aufzug bringt mich auf die oberste Etage, von wo ich den Kapuzinerberg erklimmen und mir von dort oben einen ersten Überblick auf die Stadt zwischen schroffen Alpengipfeln machen kann.
Dieser Ausblick macht Lust auf mehr. So steige ich vom Aussichtspunkt ab und nehme zuerst die nördliche Altstadt unter meine Füße. Über die Linzer Gasse gelange ich zu gleichnamigem Platz und verschwinde dort in die recht enge Steingasse. Die hohen Häuser drängen sich dicht aneinander und nördlich gegen den Berg. Auffällig sind die teilweise irregulären Fensterplatzierungen. In manchen Häusern scheinen diese nicht in Achsen zu liegen, sondern eher willkürlich ins Mauerwerk gebrochen worden zu sein. Das Ganze wirkt auf mich auch eher mediterran, als mitteleuropäisch. Bald gelange ich zum Mozartsteg und überquere die Salzach auf diesem eisernen Bauwerk.
Nun tauche ich so richtig in die Stadt ein. Als erstes geht es zur Touristeninformation. Diese empfinde ich einer Stadt wie Salzburg nicht würdig. Kaum Infomaterial und auch sonst wenig über die Stadt gibt es hier. Wien kann das besser – Graz ist unschlagbar. Dort gibt es nicht nur unzählige Broschüren, sondern auch Bücher und Andenken, dazu mehrere Infoschalter; das ganze in der urigen Atmosphäre des Zeughauses. Punkt für Graz.
Vielleicht liegt es am Wetter, vielleicht auch an meiner Stimmung, aber mit der Salzburger Altstadt südlich der Salzach werde ich an diesem Tag kaum warm. Es gibt große Plätze, Mozart ist präsent. Noch stärker präsent ist aber die frühere geistliche Herrschaft der Stadt. Die Dom-Anlage in eigenem Quartier ist riesig und wirkt auf mich bedrückend. Im Gegensatz zu Wien wird für den Dom Eintritt verlangt – etwas, das ich ob des Reichtums der katholischen Kirche nicht verstehe. Interessant sind dagegen die Bergbahn zur Festung, ein altes Wasserrad und der Friedhof an der Peterskirche. Während es langsam Nacht wird erkunde ich noch ein wenig die Gassen und die vielen kleinen Durchgänge mit unzähligen Hinterhöfen. Bald kehre ich wieder in die nördliche Altstadt zurück. Nach einer kleinen Stärkung spaziere ich durch die nächtliche Stadt zurück zum Hotel.
Hier ein paar Eindrücke:
Tag 12: Montag, 25.03.2024:
Heute passt das Wetter und ich kann meinen Plan umsetzen. Zum Mittag spaziere ich zum Mirabellplatz und besteige den Bus. Dieser führt mich durch das östliche Salzburg langsam bergan. Die Stadt wird langsam kleiner und mein Blick weiter. Bald bin ich auf dem gut 1.200 Meter hohen Gaisberg – etwa 800 Höhenmeter über der Stadt. Die Sonne scheint und ein paar Schneereste zieren den Berg. Vor mir öffnet sich der weite Blick über die Stadt im Tal und die umliegenden Berge.
Viel Zeit habe ich nicht um die Ausblicke zu genießen, da mein Bus 20 Minuten später wieder in die Stadt fährt. Und ich möchte noch etwas mehr von der Stadt sehen. So bin ich zwar irgendwie gestresst, kann den Weitblick aber doch auf mich wirken lassen. Ja, ich bin begeistert! Von hier oben wirkt die Altstadt mit dem umgebenden, kleineren, Bergen winzig; die schroffen Alpengipfel der nördlichen Kalkalpen umso majestätischer. Ich fotografiere viel. Die meisten Gipfel kann ich erst nachträglich zuordnen. Dabei bemerke ich, dass mir ein paar Bilder sehr bekannter Berge gelingen – so des Watzmann-Massives. Mein Aussichtspunkt ist gleichzeitig Startplatz für Gleitschirmflieger. Die Thermik passt an diesem Tag und es schwingen sich während meines kurzen Besuchs mehrere Menschen in die Luft. Durch den doch noch recht tiefen Schnee stapfe ich bald wieder zurück zum Bus, auch wenn mir der Abschied schwerfällt.
Bald darauf bin ich zurück in der wuseligen Altstadt.
Einige Ortsbezeichnungen kommen mir doch sehr bekannt vor. Neben Steingasse und Gaisberg erinnert mich auch der Universitätsplatz an das heimatliche Heidelberg. Nun erkunde ich wieder zu Fuß. Das Wetter sorgt dafür, dass die Stadt gut gefüllt ist. Durch Getreidegasse und über den Universitätsplatz geht es langsam zum Mönchsbergaufzug.
Von den Ausblicken kann ich nicht genug bekommen. Salzburg bietet davon mehr als genug. Also nehme ich den Aufzug im Berg und bin bald darauf wieder über den Dächern Salzburgs. Von der Terrasse am Mönchsberg schweift mein Blick über die vielen Dächer der Stadt und über die Salzach zum Gaisberg.
Ich schlendere weiter zur Befestigungsanlage Bürgerwehr und mache hier eine längere Pause. Es entstehen ein paar Sonnen-Bilder der Stadt.
Noch ein letztes Mal spaziere ich durch die Altstadt. Ich kann es mir nicht nehmen lassen, im Mini-Supermarkt in Mozarts Geburtshaus einkaufen zu gehen. Irgendwie mag ich die Stadt und irgendwie bekomme ich ein Heidelberg-Gefühl. Eine Haupt-Straße und sehr viele Touristen. Die umliegenden Gassen sind dagegen eher ruhig – ganz wie im heimatlichen Heidelberg. Eine kleine Besonderheit gebe ich mir doch noch: Salzburgs schmalstes Haus. Dieses wurde in eine enge Gasse gequetscht und misst nur 1,50 Meter in der Breite. Umgeben ist es von wesentlich höheren Gebäuden.
Doch der Tag ist noch nicht zuende. Was in Wien funktioniert hat, sollte doch auch in Salzburg klappen. Zumal die Möglichkeit doch direkt vor der Nase liegt.
Also packe ich erneut mein Stativ in den Rucksack und klettere in der Dunkelheit auf den Kapuzinerberg. Dieser nächtliche Blick auf die Stadt eröffnet mir nochmal neue Perspektiven. Seht selbst, was mir während dieser Stunde gelungen ist:
Das alles ist ein nahezu perfekter Abschluss dieser Reise. So recht zur Ruhe komme ich in dieser Nacht aber nicht.
Tag 13: Dienstag, 26.03.2024:
Am Morgen packe ich in Ruhe meine Sachen und mache mich auf den Weg zum Bahnhof. Hier entsteht ein letztes Bild.
Die Fahrt nach Heidelberg ist eher entspannt, da ich ohne Umstieg durchfahren kann. Kurz hinter der Grenze gibt es kurze Personenkontrollen, recht bald verschwindet der Gaisberg aus meinem Blickfeld. Die Strecke kenne ich schon, weshalb alles eher unspektakulär ist. Das trifft auch auf den Albabstieg nach Geislingen zu. Etwa 5 Stunden später bin ich zurück in Heidelberg und bald darauf wieder daheim.
Schlussbemerkung:
Seit dem Ende dieser Reise sind mittlerweile 6 Wochen vergangen. So recht greifen und verarbeiten konnte ich das zeitnah nicht. Stattdessen habe ich diese vielen Zeilen genutzt, um mir diese Reise ins Gedächtnis zu rufen.
Das mag auch daran liegen, dass die Zeit davor und danach sehr stressig war. Ich konnte nicht wirklich abschalten.
Trotz allem: ich bin schwer begeistert von den drei Städten. Graz hat mich überrascht, ebenso Salzburg. Wien lässt sich nicht in so kurzer Zeit greifen, zumal bei meinen Interessen im historischen und architektonischen Bereich. Gleiches gilt begrenzt auch auf Graz zu. Hier habe ich den Vorteil, mir einen Architekturführer gekauft zu haben, der mir weitere Perspektiven auf die Stadt eröffnet. Sowohl Graz als auch Salzburg wirken eher beschaulich, mit begrenztem großstädtischem Flair. Beide Städte haben in mir ein Heidelberg-Gefühl ausgelöst. Das ist durchaus positiv gemeint.
Ich will und werde wiederkehren.
Danke, dass Ihr mich auf dieser Reise begleitet habt.
Auf bald!
— SnusTux|René M. – 01/05-2024
Nachfolgend alle Bilder in einer Galerie: